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Bundestagsabgeordneten der Linken wurde Immunität aberkannt

Caren Lay von den Linken

Die Immunität eines gewählten Abgeordneten soll diesen schützen, so soll er frei seine Meinung äußern und darstellen können, ohne dass er mit politisch motivierten Strafverfahren und ähnlichen Behinderungen in seiner Aufgabe eingeschränkt wird. In der Theorie sollte er gar bei Putsch geschont werden, was historisch eher eine Illusion ist. Es gab in Deutschland erst einen "erfolgreichen" Putsch (die Machtübertragung auf die Faschisten 1933), damals wurden unliebsame Parlamentarier kurzerhand  in den Untergrund gedrängt, ins KZ gesteckt und in die Migration getrieben. 
Hintergrund und historischer Zusammenhang:
Die parlamentarische Immunität wurde in den letzten 150 Jahren zu einem Rechtsgut, das vor allem zwei Zwecken dienen sollte:

  1. Die sich herausbildende Legislative vor möglicher Willkür der damals noch monarchischen Exekutive zu schützen (etwa vor erfundenen Anklagen und manchen Festnahmen, die es z. B. im 19. Jahrhundert vor wichtigen Abstimmungen gab). Es ging zu der Zeit vor allem um den Schutz der Abgeordneten der zeitweise illegalen SPD, die historische SPD hatte wenig gemein mit der heutigen SPD.
  2. Hier weiterführende Links: http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialistengesetz und dann das jüngere SPD Verbot http://www.fes.de/archiv/adsd_neu/inhalt/stichwort/verbot.htm und allen Ernstes auch aus der konservativen Ecke die Bestrebung die SPD erneut zu verbieten: http://spdverbot.wordpress.com/  
  3. Die Freiheit der Meinungsäußerung (Redefreiheit) besonders für gewählte Volksvertreter zu garantieren, da diese den Interessen ihrer Wählerschaft verpflichtet sind.

Mahnende Erfahrung aller Kommunisten und Kommunistinnen im Land bleibt die Kriminalisierung und Festsetzung der KPD Mitglieder und Abgeordneten durch die Faschisten. Die Faschisten waren die Fortführung der antidemokratischen Tradition des Kaiserreiches, die Kommunisten waren die Avantgarde der Demokratie. Die Kommunisten hatten den Kaiser entmachtet und damit die Demokratie ermöglicht (Kieler Matrosenaufstand, Arbeiter- und Soldatenräte), die Kommunisten haben mit hunderttausenden von Arbeitern die Republik gegen rechtsextreme Putschisten verteidigt (Kapp Putsch, http://de.wikipedia.org/wiki/Ruhraufstand) die Kommunisten waren auch diejenigen, die vorneweg gegen die NSDAP und ihre Schlägertrupps antraten. Der Staatsapparat in der Weimarer Republik war aber noch durchsetzt von kaisertreuen Beamten, wie auch heute die Exekutive und Judikative in der Bundesrepublik nicht eindeutig demokratisch orientiert ist. Sicherer Gradmesser für die demokratische Gesinnung ist der Antikommunismus. Wer Antikommunist ist dürfte eher zu den undemokratischen Vertretern gehören. In einer Republik aus Filz, Schacher und Korruption gilt es wieder als ehrenrührig wenn Abgeordnete für Ihre politische Überzeugung auf die Strasse gehen. Es ist ein Armutszeugnis, dass die Sozialdemokraten erneut, wie vor 1993 in das bürgerliche Lager tendieren und wie in diesem Fall den antifaschistischen Abgeordneten der Linken die Immunität entziehen. Das wäre die Lektion, die SPD Mitglieder nach dem 2. Weltkrieg im Stammbaum vermerkt haben sollten: gegen die Rechtsextremen geht es nur mit den Kommunisten (wobei fraglich ist ob die LINKE kommunistisch ist). Die aktuelle Linke Partei ist allerdings kaum vergleichbar mit der mehrfach verbotenen und von Nazis und kaltem Krieg zerstörten KPD.  Die KPD war mit Wohngruppen, Betriebsgruppen und mit Solidaritätsgruppen sehr stark in der Bevölkerung verankert. Alle Versuche eine strukturelle Verankerung im Nachkriegsdeutschland zu schaffen, wurden bis zum heutigen Tag von politischen Mitbewerbern und dem  Staatsschutz der Bundesrepublik mit allen Mitteln verhindert. 
Entsprechend ist es überaus wichtig, die Parlamentarier die gegen diesen herrschenden Mainstream (USA, Wirtschaftslobbyisten...) vor politischer Verfolgung durch den Staatsapparat zu schützen. In den USA hat sich das politische Koordinatensystem bereits soweit nach rechts verschoben, dass ein nachziehen in diese Richtung in der EU aus konservativen Kreisen angestrebt wird. Deswegen sind die Menschen aufgefordert wachsam zu sein und eine solcher angestrebten Verschiebung entgegenzutreten.
Die Festnahme der KPD Abgeordneten und auch einiger Sozialdemokraten durch die NS-Polizei war wichtiger Bestandteil des Weges in die NS-Diktatur.  Die NS haben die Beschlussfassung zum Ermächtigungsgesetz zur (Selbst-)Entmachtung des Reichstages durch vorherige Festnahme von kommunistischen und teilweise auch sozialdemokratischen Abgeordneten abgesichert. Ein gesetzlicher Schutz indes hätte die NS-Schergen nicht von einer Verfolgung der Antifaschisten abgehalten, höher als das Gesetz, dass über den einen auf den anderen Tag nichts, wie jedem Geschichtsinteressierten bekannt,  mehr als ein paar historische Sätze darstellen wird. 
 
AKTUELL:
Im Fall zweier linker Bundestagsabgeordneten wurde nun die Immunität aufgehoben. Sie haben sich persönlich nicht bereichert und beschenken lassen, wie es anscheinend in anderen Fraktionen "guter Brauch" scheint, sondern haben gegen einen NPD Aufmarsch protestiert. 
 
Wir dokumentieren die Presseerklärung von Caren Lay.
 
 

Immunität wegen Anti-Nazi-Blockade aufgehoben

Ich bin empört, dass der Immunitätsausschuss mit den Stimmen der Union, der FDP und auch der SPD meine Immunität als Abgeordnete aufgehoben hat. Auch mein Kollege Michael Leutert (MdB) ist von dieser Entscheidung betroffen.
Vor dem Hintergrund der rassistischen Mordserie durch Nazi-Terroristen haben alle Fraktionen des Deutschen Bundestags gemeinsam erklärt: „Rechtsextremistischen Gruppen und ihrem Umfeld muss der gesellschaftliche und finanzielle Boden entzogen werden.“ Diese Erklärung darf keine Sonntagsrede bleiben. Zivilcourage gegen Nazis ist notwendig und darf nicht bestraft werden.
Obwohl es möglich gewesen wäre, hat mir die schwarz-rot-gelbe Mehrheit der Abgeordneten im Immunitätsausschuss noch nicht einmal das Recht gewährt, persönlich Stellung zu nehmen.
Hier ist, was ich im Immunitätssausschuss des Deutschen Bundestages gesagt hätte, wenn man mir das Recht auf Anhörung gewährt hätte:
Meine Damen und Herren,
Sie prüfen eine Anfrage der Staatsanwaltschaft Dresden, die strafrechtlich gegen mich vorgehen will. In dieser Sache geht es wohlgemerkt nicht um Diebstahl oder Steuerhinterziehung und auch nicht um ein Verkehrsdelikt. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft beziehen sich auf meine Teilnahme an einer friedlichen politischen Protestaktion mit dem Ziel, den Nazi-Aufmarsch am 19. Februar 2011 in Dresden zu verhindern.
Ich bin im Jahr 2000 nach Dresden gezogen. Seither musste ich Jahr für Jahr im Februar erleben, wie mehrere Tausend alte und junge Neonazis ohne nennenswerte demokratische Gegenwehr durch unsere Stadt gezogen sind. Jeder, der da einmal persönlich oder im Fernsehen mit angesehen hat, der weiß, dass das ein schauerlicher Anblick ist. Jahr für Jahr wurde die Teilnehmerzahl größer. Dresden wurde im Februar zu einer regelrechten Pilgerstätte für Neonazis.
Ich habe mich sehr gefreut, dass sich seit einigen Jahren ein breites gesellschaftliches Bündnis aus Parteien, Initiativen, Gewerkschaften und Verbänden zusammengefunden hat, um diesen Spuk zu beenden.
Ich halte es vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte und insbesondere nach der Aufdeckung der fürchterlichen rassistischen Mordserie durch Nazi-Terroristen für eine demokratische Pflicht, sich gegen solche Aufmärsche und deren Zurschaustellung rassistischer und menschenverachtender Ideologie zur Wehr zu setzen!
Bundestagspräsident Lammert hat in seiner Rede zum Gedenken an die Shoa im Bundestag erklärt, „unser Ziel und unsere Verpflichtung“ sei es „dass in Deutschland alle Menschen frei und gleich und ohne Angst leben können.“ Die vergangenen Wochen und Monate mit der Aufdeckung einer beispiellosen Mordserie hätten allerdings gezeigt, dass wir dieses Ziel noch nicht erreicht haben. Allerdings würden sich jeden Tag überall in Deutschland Bürgerinnen und Bürger für dieses Ziel einsetzen. Der Bundestagspräsident sagte: „Da sind Einzelne, Vereine, ganze Dörfer; da sind Menschen, die den Rechtsextremen, die durch ihre Städte marschieren wollen, immer wieder entgegentreten und zeigen: Wir dulden eure Diffamierungen, euren Hass nicht, schon gar nicht eure Gewalt. Es sind Menschen, die Zivilcourage beweisen, die nicht wegsehen, Diskriminierungen nicht unwidersprochen stehen lassen. Es sind Menschen, die ein Beispiel geben und die Mut machen. Dieses Engagement werden wir brauchen und diesen Mut auch.“
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
gemeinsam mit vielen anderen Menschen, darunter auch zahlreichen Abgeordneten von SPD, Grünen und LINKEN, habe ich vor einem Jahr in Dresden diesen Mut bewiesen. Ich hoffe heute auf Ihre Solidarität!
Auch für die nächste Woche mobilisiert wieder ein breites Bündnis, um den Neonazi-Aufmarsch in Dresden zu verhindern. Der Zentralrat der Juden und Wolfgang Thierse rufen dazu auf. Es wäre ein fatales politisches Signal, wenn Sie heute unsere Immunität aufheben und damit signalisieren, dass es sich um eine Straftat handelt.
In der gemeinsamen Erklärung aller Fraktionen im letzten November haben wir Abgeordnete festgestellt: „Wir brauchen eine gesellschaftliche Atmosphäre, die ermutigt, gegen politischen Extremismus und Gewalt das Wort zu erheben. Rechtsextremistischen Gruppen und ihrem Umfeld muss der gesellschaftliche und finanzielle Boden entzogen werden.“
Heute zeigt sich, ob es sich dabei um eine Sonntagsrede handelt oder ob wir es ernst meinen mit der Verteidigung der Demokratie in der Praxis!
Ich habe im vergangenen Jahr in Dresden wie viele Tausend engagierte Bürgerinnen und Bürger friedlich mein von der Verfassung verbrieftes Demonstrationsrecht wahrgenommen. Ein strafrechtlich relevantes Verhalten kann ich darin nicht erkennen. Denn Protest gegen Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Geschichtsrevisionismus ist ohne Zweifel dringend erforderlich!
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Beschweren Sie sich bei Ihren örtlichen CDU und SPD Abgeordneten über die Aufhebung der Immunität der beiden Bundestagsabgeordneten.
Mit einer Serie möchte ich den historischen Hintergrund und Bezug zu aktuellen Geschen darstellen, dies kommt in der Öffentlichkeit zu kurz.
 
Jochen Geis

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